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Eine Reise durch Sikkim. Reisebericht Teil 1

Der Reisebericht von Peter Oppliger, über seine letzte Reise nach Sikkim, Westbengalen in Indien. Sikkim ist der einzige Bio-Staat auf der Welt und das Tor zum Himalaya. Hier stammt unsere halbfermentierten Tee her.

Reisebericht Sikkim Teil 1, geschrieben von Peter Oppliger

Im Jahre 1983 bereiste ich Sikkim in Nordindien entlang der majestätischen Himalayakette mit ihren berühmten Achttausendern. Kashmir, Ladakh, Dharamsala (die Stadt der Exil-Tibeter) und Simla waren damals die Stationen, die ich im Rahmen eines Studienaufenthaltes besuchte. Auf der östlichen Seite von Nepal war das Ziel der berühmte Tee- und Höhenkurort Darjeeling. Zumindest der Name dieses Ortes ist Teeliebhabern bekannt, bürgt er doch für beste und erstklassige Tees. Von hier, auf ca. 2000 m ü. M., ist hinter den vorgelagerten Himalayahügeln mit fast unendlichen Teeplantagen bei klarem Wetter sogar der Mount Everest zu sehen.

Das «Sherpa Tensing Tea House» zeugt von der grossen Bedeutung des Sherpas, der den höchsten Berg der Erde gemeinsam mit Sir Edmund Hillary als Erster bezwungen hatte gleichsam wie für den weltberühmten Tee. Schon damals war das kleine Königreich Sikkim, das als selbstverwalteter Bundesstaat Indiens konstituiert ist, ein mystisches Reiseziel für mich. Allerdings dauerte der damalige Besuch nur einige Tage.

Manchmal dauert es lange, bis ein Wunsch in Erfüllung geht. Schon lange wollte ich Sikkim – diesmal gut vorbereitet und in Ruhe und Gelassenheit – noch einmal besuchen. Zu meinem 80. Geburtstag erfüllte ich mir diesen Wunsch gemeinsam mit meiner Frau Esther.

Sikkim heute

Es gibt Destinationen auf dieser Welt, die auf manche Menschen eine grosse Faszination ausüben. Meine Begeisterung für Sikkim gründet u.a. auf der landesweit streng biologischen Landwirtschaft, dem ursprünglichen, subtropischen Regenwald, den buddhistischen Klöstern und den freundlichen Menschen sowie auch auf dem abenteuerlichen Reisen. Anderen Menschen fehlt in Sikkim der Luxus, die Cüpli-Bar am Pool, der Tennis- oder Golfplatz.

Bis 1975 war Sikkim ein unabhängiges kleines Königreich, das im Westen an Nepal, im Norden und Nordosten an Tibet (China), im Osten an Bhutan und im Süden an den indischen Bundesstaat Westbengalen grenzt.

Die mögliche Bedrohung an der langen Grenze entlang der höchsten Himalayakette von Tibet, die Topografie des Landes und die praktische Unmöglichkeit, sich gegen China selbst verteidigen zu können, führte zusammen mit der damaligen politischen Situation im ahre 1975 zum Anschluss an Indien. Seither ist Sikkim der zweitkleinste Bundesstaat Indiens, jedoch mit weitgehender Selbstverwaltung. Gemäss einer Vereinbarung (Dekret) mit Indien behält Sikkim eigene Grenzkontrollen mit zusätzlicher Visumpflicht für Ausländer, teilweise eigene Gesetze sowie strenge Einfuhrbeschränkungen von Waren. Selbst indische Staatsangehörige dürfen in Sikkim weder Land noch Liegenschaften erwerben. Es ist naheliegend, dass ich dabei an unsere schöne Schweiz denke, wo aus purer Geldgier Geschäftshäuser, Hotels, ganze Berge und Firmen an Chinesen, Araber und Russen verkauft werden.

Mit einem Referendum hat das Volk von Sikkim mit grossem Mehr bestätigt, die streng biologische Landwirtschaft und den Umweltschutz weiter zu pflegen. So ist heute das Volk sehr stolz auf die biologische Bewirtschaftung des Landes und die Tatsache, dass es in Sikkim keine Plastiktüten mehr gibt. Auch hier wieder mein Wunschdenken, wie die Schweiz ein vorbildliches Bioland sein könnte. Sikkim bleibt wohl noch einige Jahre das einzige konsequente Bioland unseres Planeten.

Sikkim zählt heute etwa 610’000 Einwohner, welche aus verschiedenen ethnischen Gruppen wie Tibeter, Gurkas, Lepchas und Buthia bestehen. Die Zahl der Tibeter wurde seit der Annexion von Tibet durch China in Sikkim fast verdoppelt. Etwas mehr als 50% der Einwohner sind Hindus, vorherrschend durch die vielen Klöster ist jedoch der Buddhismus. In Sikkim gibt es 75 buddhistische Klöster. Das Land bzw. der Bundesstaat ist in die vier Provinzen Nord, Süd, West und Ost eingeteilt. Gangtok ist die Hauptstadt mit Sitz der Verwaltung, Universität etc. Hier leben rund 100’000 Einwohner.

Die einzigen Verkehrswege des Landes sind Strassen. Im Bereich der Hauptstadt und in grösseren Orten der Provinzen sind es meist Asphaltstrassen. Die meisten Verbindungen des Landes sind jedoch Bergstrassen, welche in der Monsunzeit jährlich durch Steinschlag, Erdrutsche und Wasserschäden ständige Unterhaltsarbeiten erfordern oder zeitweise unpassierbar sind. Allradfahrzeuge sind unerlässlich, um das Land zu bereisen. Grössere Ortschaften werden teils mit Linienbussen bedient. Sammeltaxis, meist sechsplätzige 4x4 Toyotas, oft beladen mit acht bis zehn Personen mit Gepäck, findet man in ganz Sikkim. Für Individualreisen bietet sich die Möglichkeit, ein komfortables 4x4-Fahrzeug mit Fahrer zu mieten. Die Kosten sind nicht sehr hoch, die Kilometerzahl meist unbeschränkt und die Fahrer sehr vertrauenswürdig und erfahren.

 

Die Sikkim-Reise

Wie vereinbart wurden wir am Airport von Bagdogra (Westbengalen) von unserem Fahrer Dorjee mit seinem fast neuen Toyota erwartet.

Bagdogra ist der nächstgelegene Flughafen und ca. zwei Stunden von der Grenze zu Sikkim entfernt. Dorjee war uns auf Anhieb sympathisch und zeigte sich als absolut vertrauenswürdiger Fahrer. In Siliguri, der letzten indischen Stadt vor Sikkim, besuchten wir unseren Teefreund Rajah Banerjee mit seinem Mitarbeiter Ram. Rajah ist Teepflanzer in vierter Generation und Berater der staatlichen Temi-Tea-Plantage von Sikkim sowie Gründer und Inhaber der Rimpocha Tea Company in Siliguri. Er lebt seine Vision «Partnership NOT ownership» in vorbildlicher Weise. Seine Vision besagt folgendes:

 

  • Die Plantagen gehen zurück in den Besitz der lokalen Bauern

  • Biodynamischer Teeanbau auf gesunden Böden

  • Fairer Handel

  • Technische und fachliche Beratung durch anerkannte Spezialisten.

 

Mit dieser Vision verfolgt er klare Zielsetzungen. Er will:

 

  • glückliche Bauern und Pflückerinnen

  • bessere Produkte

  • fairen Handel

  • gesündere Menschen.

 

Tee und Tee Anbau sind unserer Hauptinteressen auf unserer Reise, darum planen wir weitere Begegnungen mit Rajah.

Am nächsten Tag führt uns die Reise nach West-Sikkim zum Biksthang Farmhouse. Gleich nach der Einreise in den speziellen Bundesstaat beim Melli-Checkpoint fällt uns die Sauberkeit von Strassen und Häusern auf.

Die Grenzkontrolle ist für Ausländer streng, aber sehr freundlich. Hier geht es um die Prüfung der Einreise- und Sonderbewilligungen zum Besuch von grenznahen Orten zu Tibet, die Entgegennahme von zusätzlichen Passfotos und das Unterzeichnen von Vorschriften. Die Beamten verabschieden uns mit Ratschlägen, Reisetipps, Freude und Dankesbekundungen, dass wir ihr Land besuchen.

Von nun an sehen wir weder Kehrichtdeponien noch Schmutz entlang der Strasse und auch keine Bettler in den Dörfern – es ist ein wahrhaftig anderes Indien. Auf der fünfstündigen Fahrt nach Biksthang werden jedoch die Strassenverhältnisse zusehends schwieriger.

Wir befahren Abschnitte, die vom langen Monsunregen arg beeinträchtigt oder von Steinschlägen teilweise verschüttet sind. Die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, wie unser Fahrer Dorjee damit umgeht vermittelt uns Sicherheit und auch Freude am abenteuerlichen Reisen. Inmitten des ursprünglichen tropischen Regenwaldes erreichen wir auf einer Höhe von ca. 1800 m ü. M. das «Biksthang Farmhouse». Hier werden wir von einem sehr gepflegten älteren Herrn und einem strahlend lächelnden jungen Mitarbeiter empfangen. Der ältere Herr des Hauses heisst uns willkommen: «Mein Name ist Gyatso und dies ist O.T., verantwortlich für den ganzen Betrieb ist meine Tochter Dycki, sie wird in ein paar Minuten hier sein.»

Bereits beim Begrüssungstee erfahren wir viel Wissenswertes zum Farmhouse, welches nun schon seit vierzehn Generationen in Familienbesitz sei. Erst seine Tochter Dycki habe aus dem Bauernbetrieb, bestehend aus fünf gepflegten Häusern, ein Agrotourismus mit acht Gästebungalows gemacht. Entstanden ist dabei ein wahres Paradies. In Biksthang gibt es heute nur wenig Tiere. Fünf Kühe, einige Ziegen, frei herumlaufende Hühner und zwei echte Bernhardiner-Hunde. Diese sollen wilde Tiere wie Bären, Tiger und Pandas vom Betrieb fernhalten.

Nun ist auch Dycki eingetroffen. Sie führt uns ins Gästehaus, das etwa fünf Gehminuten vom Hauptgebäude entfernt ist. Zwei Räume, ein Bad, eine grosse Terrasse mit Aussicht über den Garten mit den Gewürz- und Fruchtbaumplantagen. Ungefähr so könnte man sich einen Garten Eden vorstellen.

Die seit vielen Generationen gepflegte Artenvielfalt umfasst Kastanien, Äpfel, Guava, Papaya, Zimt, Gewürznelken, verschiedenste Zitrusfrüchte, Bananen, Ananas, Kardamom und Ingwer. Gewürze und Zitrusfrüchte waren in den letzten zweihundert Jahren jene Landwirtschaftsprodukte, welche von hier mit Trägern, Pferden und heute per LKW zu den entlegenen Märkten oder zu Export-Firmen gebracht werden.

Eine kleine Teeplantage mit einigen hundert Teepflanzen (eine Varietät der Camellia sinensis) am Rande des subtropischen Regenwaldes ist der besondere Stolz von Dycki. Als Teeliebhaberin plant sie, den Gästen in wenigen Jahren einen eigenen «Organic Green Tea» servieren zu können.

Hier wird mir bewusst, dass die Stammpflanzen des Tees – die Camellia sinensis und die Camellia assamica, früher Thea genannt, vor einigen tausend Jahren aus diesen subtropischen Regenwäldern von Sikkim, China und Assam stammten. Anlässlich aller meiner verschiedenen Teereisen habe ich immer nach der «Ur-, bzw. Stammpflanze» in wilder Vorkommnis gefragt. Manchmal wurden mir grosse «Teebäume» gezeigt, aber immer handelte es sich um verwilderte, verlassene Teepflanzen, aber niemals um eine «Ur-Teepflanze» aus dem Regenwald.

Lange, ausgiebige Gespräche mit Dr. Gyatso, dem Vater von Dycki, waren für uns von grosser Bedeutung. Gemeinsame Interessen und der von ihm achtsam zubereitete Tee haben uns zu Freunden gemacht. Dr. Gyatso ist erst im hohen Alter seines Vaters (12. Generation) auf die Farm zurückgekehrt, als dieser den Betrieb altershalber nicht mehr führen konnte. In jungen Jahren verliess Dr. Gyatso Biksthang, um in der Hauptstadt Medizin zu studieren. Seine Ausbildung erweiterte er an Universitäten von Indien. In Sikkim war er dann als Arzt tätig, bis er während vieler Jahre als Mitglied der Regierung das Amt des Gesundheitsministers inne hatte.

Schon als praktizierender Schulmediziner und später als Gesundheitsminister pflegte Dr. Gyatso ständigen Kontakt zu Spezialisten der Alternativ-Medizin, welche in Sikkim und Indien sehr verbreitet ist. Dazu gehört die Tibetische Medizin, die Akupunktur, Ayurveda und die Homöopathie. Dr. Gyatso erklärt uns, dass diese traditionellen Heilmethoden in Sikkim stark gefördert werden, natürlich unter der Bedingung, dass diese nur von kompetenten Spezialisten ausgeübt werden. Dr. Gyatso bestätigt uns, dass zwischen den Schulmedizinern des Westens und den Ärzten aus Sikkim und den Himalaya-Ländern bezüglich der Alternativmedizin ein grosser Unterschied besteht. Generell würden von den modernen westlichen Medizinern die Akupunktur, die Homöopathie, die Tibetische Medizin und Ayurveda eher belächelt und nicht ernst genommen. «Wir hingegen», sagt er, «fördern diese Methoden mit der Absicht einer kreativen Zusammenarbeit. Auch ich wurde durch die Tibetische Medizin geheilt, nachdem die Schulmedizin bei mir nicht geholfen hat.»

Auf dem ganzen Gelände von Biksthang flattern an hohen Bambusstangen farbige buddhistische Gebetsfahnen. Diese sollen die Botschaft des Buddhismus, Frieden, aber auch die Idee und die Wichtigkeit der organischen Landwirtschaft hinaus in die Welt tragen. Sind diese Flaggen durch Wind und Wetter zerstört, werden sie verbrannt und durch neue ersetzt. Am Abend vor unserer Abreise geniessen wir noch ein traditionelles Kräuterbad in zwei traditionellen Holzbadewannen. Die Kräuter wurden von einem älteren, sichtlich weisen Mann im Wald gesammelt und dann einige Stunden

auf einem offenen Feuer gekocht, um dann dem Badewasser, welches mit heissen, ebenfalls auf einem offenen Feuer erhitzten Steinen erwärmt wurde, zugeführt zu werden. Die ideale Badezeit ist am Abend und sollte etwa eine Stunde dauern. Wir fühlten uns, speziell nach einer kurzen Wanderung, durch das Bad entspannt und gestärkt. Nach fünf Tagen voller unvergesslicher Eindrücke in der Natur von Biksthang verabschieden wir uns von der ganzen Familie mit dem Ziel Namchi. Wir beladen den von Dorjee gewaschenen Landcruiser, kontrollieren den Vorrat an Trinkwasser und freuen uns an der reichhaltigen Verpflegung, welche uns der Koch von Biksthang für die Reise vorbereitet hat. Die Fahrt nach Namchi wird gemäss Dorjee fünf bis sechs Stunden dauern.

Namchi ist eine kleine, sehr saubere Universitätsstadt mit verschiedenen Berufsschulen und einem Lehrerseminar. Ein kleines Guesthouse wird uns für eine Nacht beherbergen.

Das nahe Zentrum der kleinen Stadt ist wie ein Dorfplatz mit Blumenbeeten und Sitzbänken gestaltet. Auffällig ist auch die nahe Markthalle. Sie ist mit grossen Buchstaben mit ORGANIC VEGETABLE MARKET beschriftet. Kaum haben wir uns auf einer Sitzbank niedergelassen, werden wir von jungen Studentinnen und Studenten, erkennbar an ihrer Schuluniform, umstellt. Sie fragen nach unserer Herkunft, Reiseabsicht, Reisedestinationen und registrieren das Gespräch mit ihren Smartphones. Ausländische Besucher scheinen hier eine Seltenheit zu sein.

Hoch über der kleinen Stadt beschützt eine riesige Shiva-Statue ganz Namchi. Noch eindrücklicher erscheint «Lord Shiva» bei Nacht. Dann zeigt er sich hell beleuchtet und mit regelmässigen Gongschlägen wird akustisch auf ihn aufmerksam gemacht.